Donnerstag, 17. Februar 2011

Der Park der Villa Hunnewell in Wellesley im Jahre 1893



Im Oktober des Jahres 1893 befand sich L.Wittmack in der Stadt Boston, wo ihm geraten wurde, sich den Park von Herrn Hunnewell, einem Bankier, in Wellesley anzusehen. Mit einer Eisenbahn erreichte er den Ort in kürzester Zeit, wo er den 80jaehrigen Bankier in seiner Villa antraf. Wittmack war Herausgeber einer deutschen Zeitschrift namens "Gartenflora". In ihr berichtete er über seinen Aufenthalt.

Hunnewell zeigte dem Deutschen mit großer Freundlichkeit seine Parkanlagen und Gewächshäuser, die er im Laufe von vielen Jahren anlegen liess. L.Wittmack war beeindruckt. Er schildert sein Erlebnis mit begeisterten Worten.

"Es war ein herrlicher Anblick. Vor mir der Waban-See mit seinem abschüssigen Ufer, unter mir ein italienischer Garten mit Terrassen und eigenthümlich in allen Formen geschnittenen Bäumen, rings um den See herrliche Laubwaldungen, die im schoensten Herbstschmuck standen, in einer Färbung, die alle Schilderungen noch weit übertrifft." (1)

Nach einem Besuch des Wintergartens der Villa, wo Hunnewell die blühenden Pflanzen aus seinen Gewächshäusern versammelte, um aus ihnen Genuss zu ziehen, begab man sich zu den Terrassen am See, auf denen ein italienischer Garten bis hinunter zum Seeufer aufgebaut worden ist.

"Hohe geschorene Wände von Lebensbaum, zwischen denen Fenster ausgeschnitten, um hübsche Perspektiven auf den See zu erhalten, schliessen ihn seitwärts ein, auf den Terrassen schaut man alle möglichen Arten von Bäumen, in allen möglichen Formen, denn Herr Hunnewell hatte, als er vor 30 Jahren mit dieser Anlage begann, einmal sehen wollen, welche Bäume den Schnitt vertragen, und er hat das bis in die neuere Zeit fortgesetzt." (2)

Also 30 Jahre Aufbauzeit der Gartenanlage waren notwendig, um diese Pracht zu erzeugen. Wittmack hat sich die Mühe gemacht, die arrangierten Pflanzen dieses Gartenabschnitts zu dokumentieren.

"Da sieht man ausser Thuja orientalis und occidentalis auch Tsuga canadensis, die Hemlocktanne, die japanische Chamaccyparis pisitera squarrosa (Retinispora squarrosa), ja die Weymouthkiefer, Pinus Strobys, und sogar unsere Fichte und Rottanne, Picea excelsa, die man consequent in England und Amerika Norway Spruce, norwegische Fichte, nennt, darzwischen als Kronenbaum eine Blutbuche und verschiedene andere Bäume." (3)

Als Gesamtfläche des Parks nennt Wittmack 30 acres, die etwa 12 ha darstellen. Der italienische Garten sei nur ein kleiner Teil der Gesamtanlage, auf denen besonders Bäume erfolgreich gezogen wurden, die nur mildes Klima vertragen. Als Beispiele dafuer nennt er "japanische Ahorne". Eine reiche Sammlung an Koniferen liess Hunnewell zusammentragen.

"Aber auch die Laubgehölze sind schön, besonders ein Liquidambar styraciflora, in Massachusetts selten, erst südlicher in Connecticut heimisch, Magnolia macrophylla mit 1 - 2 Fuss langen Blättern, viele Ahorne und Eichen, während 1832 auf der ganzen Flaeche eine einzige Eiche stand, eine Hängebuche, Sophora japonica pendula etc. An mehreren Stellen klettert der wilde Wein Quinaria quin-quefolia, Kochne (Ampelopsis quinquefolia Michaux) hoch in die Bäume, mit seinen roten Blättern einen malerischen Kontrast bildend, während man an den Häusern in Boston wie in Washington und Philadelphia, ebenso aber auch in Portland in Oregon in unglaublicher Menge die sich von selbst haltende Quinaria (Ampelopsis) Veitchii Kochne sieht, was einen herrlichen Eindruck macht." (4)

Innnerhalb der Pflanzgruppen wurde Raum gelassen für ein grosses Zelt, das errichtet wurde, um im Frühjahr den Azaleen Gelegenheit zu geben, in Töpfen gut geschützt aufzuwachsen.

Ein weiterer ansehnlicher Gartenbereich ist der Rhododendron-Garten, der rundherum mit einer Hecke eingehegt wurde, um den Pflanzen Windschutz zu geben. Eine andere Umhegung aus Thuya occidentalis umgibt ein Zelt, in dem die blühenden halbharten Rhododendron präsentiert werden. An die Villa selbst schloss sich zu dieser Zeit, als Wittmack vom Hausherrn durch den Park geführt wurde ein prachtvoller Blumengarten an.

Der Besucher kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, als er zu den Gewächshäusern geführt wurde. Zwei solcher Gewächshäuser waren dafür gedacht, Aprikosen, Pfirsische und Nektarinen zu ziehen. In vielen anderen Gewächshäusern waren Orchideen versammelt, deren Menge auf etwa 4.000 Exemplare eingeschätzt wurde und als die vermutlich grösste Sammlung der Vereinigten Staaten anzunehmen war. Für sie waren sowohl Kalt- als auch Warmhäuser geschaffen worden, um den Pflanzen den jeweils optimalen klimatischen Lebensraum zu bieten. Aber damit nicht genug:

"Andere Häuser sind für Cycadeen, Neuholländer und Kapppflanzen, auch ein Wasserpflanzenhaus ist vorhanden, ferner ein Obsthaus, ein Weinhaus, ein Rosenhaus etc." (5)

L.Wittmack hatte also Gelegenheit das Lebenswerk eines Pflanzenliebhabers aufzusuchen, dem es gelungen war, die vielleicht prächtigste Parkanlage der Vereinigten Staaten aufzubauen. Gute 30 Jahre hatte er dazu Zeit gehabt. Der Park hat sich bis heute erhalten.

Horatio Hollis Hunnewell, der von 1810 bis 1902 lebte, war Bankier, Investor in Eisenbahnen und ein sehr bekannter Horticulturist im Amerika des 19.Jahrhundert. Auf ihn gehen auch grosse Schenkungen zurück. So finanzierte er beispielsweise die Koniferen-Sammlung des Arnold Arboretum im nahe gelegenen Boston, für das er ausserdem das Verwaltungsgebäude errichten liess. Die kleine Stadt
Wellesley kam durch ihn zu einer öffentlichen Bibliothek und einem Rathaus. In beiden Fällen finanzierte er den Bau der Gebäude. (5)

Seinen eigenen Park, heute "Walter Hunnewell Arboretum" genannt, begann er um das Jahr 1843 anzulegen. Er war daran interessiert, solche Pflanzen zusammenzutragen, die in den Vereinigten Staaten nicht vorhanden waren. Es gelang ihm, eine grossartige Ansammlung von Bäumen aus aller Welt in seinem Park zu versammeln und eine grosse Kollektion der Rhododendronarten nach Amerika zu holen. Ihm wird nachgesagt, er habe die älteste Sammlung dieser Pflanzen in den Vereinigten Staaten angelegt und sie in Amerika populär gemacht. Die "Hunnewell Pine Pinus x hunnewelli", eine hybride Pflanze, die 1952 am Walter Hunnewell Arboraetum gezüchtet wurde, ehrt den 1902 verstorbenen Pflanzenliebhaber. (6)

Parallel zu dem "Walter Hunnewell Arboretum" existiert in Wellesley eine sehr ähnlich benannte Anlage, nämlich das "Hunnewell Arboretum" am Wellesley College. Diese Namensähnlichkeit hat schon oft zu Verwechslungen geführt. In der Auflistung der botanischen Gärten der Vereinigten Staaten (7) ist jedoch nur die Parkanlage angefuehrt, die sich Hunnewell um seine Villa anlegen liess.

Im Tagebuch von H.H.Hunnewell ist der Besuch von Wittmack im Oktober 1893 eingetragen:

"Oct. 9. Drove down to Brookline, and lunched with C. S. Sargent. Had a visit from Professor Wittmark of Berlin." (8)

L.Wittmack war durch den Botaniker Sargent auf den Park von Hunnewell aufmerksam gemacht worden, der mit dem Bankier eng befreundet war.

Karl-Ludwig Diehl


Anmerkungen:
(1) zitiert aus: L.Wittmack: Der Park des Herrn H.H.Hunnewell in Wellesley bei Boston, Mass. S.57-59 in: Gartenflora. Zeitschrift fuer Garten- und Blumenkunde. Berlin, 1894. S.57
(2)-(3) zitiert aus: L.Wittmack, wie vor, S.58
(4) zitiert aus: L.Wittmack, wie vor, S.58f.
Einige weitere Hinweise zu dem Park befinden sich im: Gardeners' Chronicle, 1893, 11, auf S.634.
(5) siehe dazu in:
http://en.wikipedia.org/wiki/Horatio_Hollis_Hunnewell
(6) siehe dazu in:
http://en.wikipedia.org/wiki/Walter_Hunnewell_Arboretum
(7) siehe dazu in:
http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_botanical_gardens_in_the_United_States
(8) zitiert aus dem Tagebuch von H.H.Hunnewell:
http://www.archive.org/stream/lifelettersdiary00hunn/lifelettersdiary00hunn_djvu.txt
Darin listet der Bankier über Jahrzehnte alle seine Arbeiten an der Gartenanlage auf.

Die Fotografie wurde der historischen Ausgabe der Gartenflora (Berlin, 1894) entnommen und von mir überarbeitet, da die Fotografie nicht vollständig reproduziert worden war.

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